Aus der: „ Haus- und Familienchronik von Burggen „ von Johann Schmeidel Burggen 1963
Anmerkungen zu den ersten urkundlichen Erwähnungen
Mit der oben genannten Haus- und Familienchronik verfügt unsere Gemeinde über einen äußerst wertvollen Schatz und eine umfangreiche Quellensammlung zur Erforschung der Dorfgeschichte.
Die von Johann Schmeidel erstellte Arbeit umfasst u.a. die Geschichte der einzelnen Anwesen in chronologischer Abfolge ihrer Eigentümer, Grundbesitzer und vor 1803 deren Lehensverhältnisse (1).
In seinem Vorwort zur Chronik führt der Verfasser ein paar Überlegungen zur Entstehungsgeschichte unseres Dorfes Burggen aus:
Die durch die Burggener Flur geführte Römerstraße Via-Claudia-Augusta entlang des Lechs, der Brandopferplatz am sog. Weinberg und die Reihengräberfunde „an der Steig“ bzw. „an der alten Linde“ bezeugen deutlich eine Besiedlung lange bevor es schriftliche Nachweise gab.
Die ersten urkundlichen Erwähnungen Burggens finden sich u.a. in verschiedenen Urkunden:
- ab 1100 waren die Welfischen Herzöge jeweils die Grundherren der Pflege Füssen (2), und als solche auch die Grundherren von Burggen.
- 1147 begründete Welf VI das Kloster Steingaden und stiftete hierfür u.a. auch seine Güter (vermutlich waren dies Haus Nr.53 Dessauer und Haus Nr. 87 Treidler) in Burggen. Dies wurde in einer Urkunde von Heinrich VI. 1169 bestätigt: „…predia (3) in Burengowe (4) …“.
- 1163 soll in einer Urkunde Herzog Welf ausdrücklich als Feudalherr des Albert von Burengou genannt sein.
- 1188 Ludivicus, Dekan in Burggen (besagter Ludivicus wurde in einer Urkunde von Diethilried von 1178 als Berater Welf des VI. erwähnt)
Schon zur Zeit Welf VI. besaßen vermutlich neben dem Kloster Steingaden (gegründet 1147 ) die Klöster Rottenbuch (gegründet 1073), St.Mang in Füssen (gegründet 8.Jh.) (5), Irsee (gegründet 1183) und Ottobeuren (gegründet 8.Jh.) (6) Güter in Burggen in Obereigentum.
Ebenso ist anzunehmen, dass schon zu jener Zeit die Edlen von Tannenberg eigene Güter in Burggen besessen haben. Die Obermühle (Wasenmühle) war Burgmühle zur Burg Tannenberg.
- 1346 verkaufte Rudolf von Tannenberg seine Güter (mit der Obermühle = Wasenmühle) „… min aigen Mul szo Burchgoo an Heinrich von Schwangau. Dieser wiederum veräußerte sie an das Kloster Steingaden und die Burg zu Tannenberg an den Bischof von Augsburg.
Erläuterungen:
(1) Lehen – in Burggen: die vom Lehensherrn an die Bauern und Söldner (Inhaber einer Sölde, kleines landwirtschaftliches Anwesen) verliehenen Acker – und Wiesböden, für die nur einmal – bei Eintritt des Lehenfalls – eine Lehenstaxe zu entrichten war.*
(2) Pflege - Verwaltungsbezirk, seit dem 14.Jh. Sprengel eines bayerischen Landgerichts, zuständig für den militärischen Schutz, die Verwaltung und die Rechtspflege. Pfleger wurde der dortige Landrichter genannt.*
(3) Praedium - Landgut
(4) Im Laufe der Jahrhunderte wurde das heutige Burggen auch Burengowe, Burengo, Purggo, Purka, oder ähnlich genannt
(5) Feudum – Lehen , feudi alienatio- Lehensveräußerung
(6) Kloster Ottobeuren erhielt 1167 die Güter am Weichberg und Kienberg von dem Edlen Ulrich von Rieden.*
Auch Konrad zu Brugge (Schwabbruck) hatte Eigenbesitz in Burggen,
- 1335 den er an das Kloster St. Mang in Füssen verkaufte „… die Huserinum und alle Kint zu Bureggoe.…“
Der frühere welfische Besitz in Burggen ist vermutlich schon unter den nachfolgenden Staufern als Lehen im Ganzen veräußert worden. Die bekannten Inhaber der Lehenschaften waren alle Pfleger und Vögte des Pflegamtes Füssen.
Mangold der Fraß von Wolfsberg, Jörg Schmieher zu Helmishofen und Hans von Waal.
In jener Zeit gab es einen regen Handel mit Höfen und Gütern. Der An- und Verkauf von Bauernhöfen mit den dazugehörigen Leibeigenen (7) waren standesgemäße Handelsgeschäfte der Adeligen. Es waren Kapitalanlagen, die neben Zinsen auch meist beträchtliche Wertzuwächse brachten.
- 1339 verkaufte Mangold der Fraß von Wolfsberg den Maierhof (8) (Haus Nr.58 Bichlwirt,) „…dass ich verkauft habe (…) meinen Mairhof, der gelegen ist zu Burgkaw auf dem Berg mit allen dem und darzugehört zu Dorf, zu Holz, zu Feld …“.
- 1399 verkauften Jöerg Schmieher zu Helmishofen und Hans von Wal den Kirchensatz (9) zu Burggau mit Vogtei (10), Widum (11) ,einer Weiherstatt (12) und ihre Lehenschaften und Lehen an den Bischof Burkhart von Augsburg
Als Zeuge dieses Vertrages erscheint Conrad der Walich, Kirchherr von Burengow.
Diese Lehenschaften hatten 1424 eine Größe von etwa 800 Tagwerk. 21 Hofstätten waren lehenbar.
Die einträglichen Kirchenpfründe wurden vom Bischof weiter veräußert; u.a: an die Augsburger Familie Rehlinger, die bis 1570 die weltlichen Pfarrherren blieben. Erst als 1570 der Priester Johannes Reisch als Pfarrer in Burggen investiert (13) wurde, endete der Handel mit den Kirchenpfründen.
- 1428 kaufte Bischof Peter von Augsburg den Maierhof. Mit dem Erwerb der Lehen aus dem Kirchensatz von 1399 und dem Erwerb des Maierhofes von Burggen wurde der jeweilige Bischof von Augsburg der überwiegende Grundherr von Burggen.
Erläuterungen:
(7) Leibeigener –Eigenmann, nach deutschem Recht die strengste Form der personalen und grundherrlichen Abhängigkeit. Der Leibeigene war an sein Grundstück gebunden und brauchte für einen Wegzug oder Heirat die Erlaubnis seines Lehensherrn.**
(8) Maier – Besitzer oder Verwalter eines großen Hofes, vom Gutherrn mit Hilfe eines Maier unmittelbar bewirtschafteter Hof. .Am Maierhof als Mittelpunkt eines Maierhofbezirks wurden die Naturalien gereicht und Frondienste geleistet.**
(9) Kirchensatz – Patronatsrecht – das Recht des Kirchherrn, den Pfarrer vorzuschlagen und den Zehent (Abgabe an den Grundherrn) einzuheben.*
(10) Vogtei: Vogt – ursprünglich Vertreter in Rechtssachen, Vogtrechte standen dem Grundherrn zu. Später gingen diese Rechte mehr und mehr an den Landesherrn über.*
(11) Widum - das zur Kirche gehörende Gut, welches zum Unterhalt des Pfarrers diente
(12) Weiherstatt – Weiher, meist Mühlweiher als Wasserspeicher
(13) investiert – Einsetzung eines Geistlichen in weltliche und geistliche Befugnisse **
In der Türkensteuerbeschreibung (14) von 1594 wurden bereits alle 121 steuerbaren Anwesen innerhalb des Dorfes Burggen namentlich erfasst.
Durch die Auswirkungen des 30jährigen Krieges und vor allem der Pest, der etwa 2/3 der Bevölkerung (450 Personen) zum Opfer fiel, war eine weitere wirtschaftliche Entwicklung nicht gegeben.
In der Steuerbeschreibung von 1655 – 20 Jahre nach der Pest – wurden nur
noch 83 (von 121) Anwesen namentlich in Burggen aufgeführt.
Das Eigentum am Grundbesitz in Burggen verteilte sich nach der Steuerbeschreibung von 1655 wie folgt
(die Ortschaften Reisgang, Kienberg und Böllenburg, die damals noch zu Burggen gehörten, sind hierin nicht enthalten)
Hochstift Augsburg: 96 ½ Tagwerk
Dazu gehörten die Bestandsgüter (15)
Haus Nr.50 (16)(Speiser)(17)
Haus Nr. 58 (Maierhof)
Haus Nr. 93 (Guggemoos)
Die Weiherstatt mit 60 Tagwerk ist hierin nicht enthalten
Kloster Steingaden: 124.1/2 Tagwerk
Haus Nr. 53 (Dessauer)
Haus Nr. 87(Treidler)
Haus Nr. 125-129 Anwesen in Hauslach
Kloster Rottenbuch 80 Tagwerk
Haus Nr. 18 (Ammersinn )
Haus Nr. 33 (Völk)
Haus Nr. 88 (Grätler)
Haus Nr. 110 (Mengler)
Kloster St.Mang in Füssen 76 Tagwerk
Bestandsgut Haus Nr. 114 (Geiger)
3.Pfennig-Güter (18)
Haus Nr. 6 (Neres)
Haus Nr. 7 (Schiegg jetzt Pudl)
Haus Nr. 35 (Hänsler)
Haus Nr. 36 (Hosp)
Frühmeßstiftung Schongau 59 Tagwerk
Haus Nr. 37 (Dicker)
Haus Nr. 56 (Bruier)
Herrschaft Schwangau 62 ¼ Tagwerk
Bestandsgüter:
Haus Nr. 9 (Pohler)
Haus Nr.102 (Wanger)
Beutellehen: (19)
Haus Nr. 21 (Kaufmann)
Haus Nr. 30 (Vogl)
Haus Nr. 34 (Bachweber)
Haus Nr. 61 (Schneggler)
Haus Nr. 62 (Frenzler)
Herrschaft Kemnat ¼ Tagwerk
Garten und Hofstatt zu Haus Nr. 117 (Moserschmiede)
Grundeigen bzw. lehenbar 943 ½ Tagwerk
Äcker und Wiesen insgesamt 1.442 Tagwerk
1655 ergab der gesamte Steuerbetrag 40.179 Gulden.
Das Ausmaß der versteuerten Böden mit 1.442 Tagwerk erscheint gering, zumal die Steuergemeinde Burggen zu dieser Zeit 1.913 Hektar bemessen hat. Die Differenz mag sich daraus erklären, dass in der Steuerbeschreibung von 1655 die Wege, Ödungen, Gewässer, Wälder, das Widum, die Weiherstatt und der bedeutende Gemeindebesitz (Allmende) nicht enthalten waren.
Die Jahre nach 1655 brachten offensichtlich einen wirtschaftlichen Aufschwung, denn in der nächsten Steuerbeschreibung von 1701 betrug das gesamte Steuervermögen bereits 53.036 Gulden.
Erläuterungen:
(14) Türkensteuer – Steuererhebung zur Finanzierung der Türkenkriege
(15) Bestandsgut, vom Grundherrn (z. B Kloster, Bischof usw.) gepachtetes Bauerngut, für das ein jährlicher Zins(Gült) zu zahlen war.*
(16) Die alten Hausnummern galten bis 1976(17)
(17)Die kursiv geschriebenen Namen sind Familien- oder alte Hausnamen(18) (18)3.Pfennig-Gut, ein Gut, das seinem Herrn (in Burggen dem Kloster St.Mang in Füssen) den dritten Pfennig des Ertrages zu zinsen hatte*
(19) Beutellehen – ein Lehen, bei dem der Empfänger keinen Lehendienst zu leisten hatte, sondern eine Geldleistungen zu erbringen hatte.**
Erstmals urkundlich erwähnt im Jahr:
(als rote Dreiecke in der Karte eingezeichnet)
1188 Haus Nr. 122 Pfarrhof Ludivicus, als Dekan in Burengowe eingesetzt
1339 Haus Nr. 58 ehemaliger Meierhof, jetzt Kirchhaldengasse 4, Kauf beurkundet
1340 Haus Nr. 74 Wasenmühle, jetzt Mühlenweg 12, Kauf beurkundet
1424 Haus Nr. 65 Fallermühle, jetzt Mühlenweg 6 im Lehensbuch 1424 erwähnt
1480 Haus Nr. 98 Stotz, jetzt St.-Anna-Str.13 in einer Stiftungsurkunde genannt
1480 Haus Nr. 116 Geisenhof, jetzt Füssener Str.6 im Lehensbuch 1517 aufgeführt
1493 Haus Nr. 50 Speiser, jetzt Angerweg 11 Kauf beurkundet
(als gelbe Punkte in der Karte eingezeichnet)
In der Haus- und Familienchronik von Burggen wurden in der Zeit von 1510 bis 1595 insgesamt 51 Anwesen erstmals erwähnt. Die meisten davon in der Türkensteuerbeschreibung von 1594. Im Vorwort der Chronik allerdings schreibt der Verfasser J.Schmeidel, es seien 1594 bereits alle 121 Anwesen im Dorf namentlich erwähnt.
Eine mögliche Erklärung für die Differenz mag sein, dass nicht überall eine lückenlose Darstellung in der Reihenfolge der Vorbesitzer möglich gewesen sei, aufgrund fehlender Quellen. Als besonders „quellen-leer“ beschreibt J.Schmeidel den Zeitraum zwischen der Türkensteuerbeschreibung 1594 und 1655. Die Quellen aus den Lehensbüchern von 1517 bis 1601 seien zudem nur zu einem Bruchteil verwertbar gewesen, da die Ortsbestimmung in den frühen Dokumenten unter der Angabe von Nachbarn erfolgte. Wegen der vielen gleich lautenden Familiennamen sei eine genaue Zuordnung kaum möglich gewesen. Die Nummerierung der Anwesen erfolgte erst ab 1776.
(als grüne Quadrate in der Karte eingezeichnet))
Viele der durch Krieg und Pest verwaisten Hofstellen wurden im 17.Jahrhundert neu vergeben.
Daraus erklärt sich auch die mit 73 Anwesen hohe Zahl der „ersten urkundlichen Erwähnung“ in der Zeit von 1601 – 1697
Die im 17. Jahrhundert erstmals erwähnten Anwesen wurden in der Steuerbeschreibung von 1655 und in An- und Verkaufsverträgen genannt.
Auffällig sind jedoch die vielen ersten Erwähnungen in den Sterbe- und/oder Heiratsregistern.
(als blaue Sterne in der Karte eingezeichnet)
Vier Anwesen wurden in der Zeit von 1701 bis 1776 erstmals erwähnt.
In der Zeit von der frühesten Erwähnung im Jahr 1188 (bzw. 1147) bis einschließlich 1776 waren bereits alle 121 Anwesen im Dorf genannt. Außerdem
Nr. 122 der Pfarrhof,
Nr. 123 Forchenmühle erstmals erwähnt ) 1594 (alle diese Anwesen sind nicht
Nr. 124 Dessau, ) 1517 auf der Karte aufgeführt.)
Nr. 125 Haslach ) 1572
Nr. 126 Haslach ) 1517
Nr. 127 Haslach ) 1517
Nr. 128 Haslach ) 1543
Nr. 129 Haslach ) 1509
Nr. 130 Böllenburg, das ab 1855 zu Bernbeuren gehörte.
Diese Anzahl hat sich bis 1829 nicht verändert.
In der Zeit von 1829 bis 1899 wurden in Burggen 24 Anwesen innerhalb der engen Dorfgrenzen auf den Grundstücken der Anwesen von Hausnummern 1 – 121 hinzugefügt und jeweils mit ½ oder 1/3 gekennzeichnet. Meist waren dies neu erbaute Häuser, mit nachstehenden Ausnahmen:
• 13 1/3 Pudl-Wirt = Pfründehaus (Austragshaus) zu Haus Nr.13,
• 58 ½ das ehemalige Brau- und Gesindehaus vom Meierhof erhielt eine eigene Hausnummer,
• 69 ½ gemeindeeigene Immobilien erhielten die Nr. 69 ½, so auch das ehemalige Gemeinde- und Armenhaus.
Zur gleichen Zeit entstanden weitere 18 Neubauten, die mit den fortlaufenden Hausnummern 130 – 145 bezeichnet waren.
Demnach bestand das Dorf Burggen um 1900 aus 164 Anwesen.
Hinzu kommen die 5 Anwesen in Haslach
und die Weiler Engenwies, Rossau, Forchenmühle, Dessau und Borzenwinkel
Ab 1900 sind die Häuser mit den Hausnummern 146 fortlaufend bis 277 im Jahre 1972 nummeriert worden.
Danach begann in der Gemeinde Burggen die Bezeichnung mit Straßennamen.
Arbeitskreis Dorfgeschichte Burggen
März 2010
