Aus dem Gemeindearchiv Burggen vor 100 Jahren (Teil 1)
Auszüge aus den Gemeindeausschuss-Protokollen
der Landgemeinde Burggen von 1908
Im Gemeindearchiv Burggen befinden sich mehrere Protokollbücher mit so genannten Auschussprotokollen der Landgemeinde Burggen ab 1837.
In diesen Auschussprotokollen sind die vom Gemeindeausschuss (vergleichbar mit dem heutigen Gemeinderat) gefällten Beschlüsse einzeln und in zeitlicher Reihenfolge, handschriftlich mit Stempel und Unterschrift versehen, dokumentiert.
In 21 Ausschuss-Sitzungen im Jahr 1908 wurden insgesamt 48 Beschlüsse protokolliert.
Der Gemeindeausschuss setzte sich aus dem Bürgermeister, seinem Beigeordneten und 8 weiteren Burggener Bürgern zusammen.
Im Jahre 1908 gehörten nachstehende Personen dem Gemeindeausschuss an:
Bürgermeister Völk, Engelhard geb. 31.08.1870 – gest. 11.07.1942
Bürgermeister von 1902 bis 1921
Beigeordneter Lang, Marianus geb. 02.05.1850 – gest. 11.10.1933
Kassier Ehlich, Josef Anton geb. 15.09.1877 - gest. 07.09.1916
Dopfer Josef geb. 07.11.1868 - gest. 14.07.1937
Eiband, Franz Xaver geb. 13.03.1871 - gest. 26.07.1920
Kögel, Klement geb. 22.12.1862 - gest. 27.08.1927
Nuscheler, Michael geb. 12.12.1863 - gest. 21.11.1942
Selzle, Johann geb. 01.12.1863 - gest. 02.12.1938
Strehle, Nerius geb. 27.05.1862 - gest. 18.05.1913
Zörr, Stefan geb. 08.12.1860 - gest. 04.11.1928
Gewählt wurde der Gemeindeausschuss auf 6 Jahre von der Bürger- bzw. Gemeindeversammlung, zu der alle (männlichen) Bürger des Dorfes gehörten, die mit einem Gemeinde- und Bürgerrecht ausgestattet waren.
Der Gemeindeausschuss besorgte als Vertreter der Gemeindever- sammlung die Aufgaben zur Verwaltung der Gemeinde. Unter dem Vorsitz des Bürgermeisters regelte der Gemeindeausschuss die eigentlichen Geschäfte und Angelegenheiten der Gemeinde.
Der Bürgermeister erhielt angemessene Funktionsbezüge, während sein Beigeordneter und die übrigen acht Gemeindeausschussmit- glieder ehrenamtlich tätig waren. Sofern ihnen aber besondere Verwaltungsaufgaben übertragen waren, wurden diese entsprechend entlohnt.
1908 | erhielt Bürgermeister Völk ein Gehalt von | 260,- Mark | |
für Schreibarbeiten | 150,- Mark | ||
für standesamtliche Beurkundungen | 60,- Mark | ||
Kassier Ehlich für Gemeindekassenführung | 59,- Mark | ||
für Einkassieren des Wasserzinses | 7,- Mark | ||
Beigeordneter Lang für die Aufnahme der Pferde bei der Pferdemusterung | 2,- Mark |
Zu den Aufgaben des Gemeindeausschusses gehörten u.a. Haushaltsführung und Verwaltung des Gemeindevermögens sowie der gemeindeeigenen Immobilien. Er wachte über die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und Bestimmungen und verlieh die Bürger- und Heimatrechte.
Im Ausschussprotokollbuch von 1908 sind bei 11 (von insgesamt 48)Beschlüssen Heimat- und Bürgerrechte verhandelt worden:
Siehe nachstehendes Protokoll vom 5. Januar 1908 (Kopie von Original und anschließend die Übersetzung)
Protokoll Seite 123
aufgenommen am
Burggen, den 5. Januar 1908
Gegenstand der Beschlußfassung
Gesuch um Verleihung des
Bürger- und Heimatrechts
Mathias Brunner v.h. behufs
Verehelichung
Zur Beratung und eventuellen Beschlußfassung in
nebenbezeichneter Sache wurden vom Bürgermeister
zu der auf heute anberaumten Ausschußsitzung die sämtlichen
10 Ausschußmitglieder gemäß Art 145 der Gemeinde=
ordnung - resp. Artikel 47 derselben richtig geladen.
Von den Geladenen sind erschienen 8Ausschuß=
mitglieder, .......außerodentliche Mitglieder, so daß die
beschlußfähige Zahl anwesend ist.
Auf Vortrag des Bürgermeisters und nach eingehen=
der Beratung wurde mit 8 Stimmen
beschlossen:
Gegenwärtig:
der Bürgermeister Völk
die unterzeichneten Ausschußmitglieder
der Protokollführer der Bürgermeister
1./Auf Ansuchen des Rubrikaten behufs Verehe-
lichung mit der ledigen Ökonomietochter Magd-
alena Kögel geb. den 31. Januar 1884. zu Burggen
wohnhaft in Burggen, sei ein nach Art 32 des
Gesetzes vom 16. April 1868. und 21. April 1884.
über Heimat, Verehelichung u. Aufenthalt in
der Fassung v. J. 1899. begründeter Einspruch
nicht zu erheben.
2./Es sei demselben gegen Bezahlung des Bürger=
u. Heimatrechtes von 41. MK. einundvierzig
Mark und den übrigen Gebühren seine nötigen
Schriftstücke auszuhändigen.
Die Gemeindeverwaltung
Völk Bürgermeister
Lang Beigeordneter
Ehlich Kassier
Jos. Dopfer
Strehle Nerius
Eiband Xaver
Konrad Klement
Johann Selzle
Das
Bürgerrecht
wurde nur einem Gemeindebürger verliehen.
Gemeindebürger konnte u.a. nur der werden, der ein Anwesen mit Hofstattrecht (Gemeinderecht) durch Übergabe, Erbschaft oder Kauf erwarb. Ein Gemeindebürger nahm teil an den Gemeinschaftsweiden, am gemeinschaftlichen Brunnen- und Wasserwerk und war Miteigentümer des unverteilten Gemeindeeigentums. Er war Mitglied in der Gemeindeversammlung und damit wählbar, bzw. konnte an den Wahlen (z.B. zum Gemeindeausschuss) teilnehmen. Ein Bürgerrechts-Bewerber hatte früher, sofern er nicht in Burggen geboren war, ein sog. „Einzugsgeld“ an die Gemeindekasse (früher Hirtlohnliste) zu entrichten und wurde damit Gemeindebürger mit allen Rechten und Pflichten. Über die Anerkennung des Bürgerrechts hatte 1908 der Gemeindeausschuss zu befinden.
Ebenso entschied er über die
Verleihung des
Heimatrechtes.
Ein sogenanntes „ursprüngliches“ Heimatrecht erhielten die in Burggen geborenen Personen. Bei ehelich geborenen Kindern galt das Heimatrecht des Vaters, bei unehelich Geborenen das der Mutter. Bei Verehelichung erhielt die Frau das Heimatrecht in der Gemeinde, in der ihrem Ehemann ein „ursprüngliches“ oder erworbenes Heimatrecht zugesprochen worden war. Jedem, dem das Bürgerrecht zuerkannt wurde, stand auch damit gleichzeitig das Heimatrecht zu. Außerdem konnte der Gemeindeausschuss das Heimatrecht für Burggen verleihen, wenn ein längerer und selbständiger Aufenthalt des Bewerbers (mit gutem Leumund) in Burggen voraus gegangen war. Die Verleihung des Heimatrechtes war deshalb so außerordentlich wichtig, weil nur die „Heimatgemeinde“ die Fürsorgepflicht und Armenfürsorge für die in Armut geratenen Personen zu übernehmen hatte, auch wenn diese sich außerhalb der Gemeinde Burggen aufhielten.
Ebenso wurden die Gemeindebediensteten durch den Gemeindeaus- schuss ernannt. So wurde in den Rechnungsbüchern für das Jahr 1908 u.a. ein Gemeindediener, Nachtwächter, Wasenmeister, Flurwächter, Feuerbeschauer und ein Feuerlöschmaschinen-Zeugwart geführt.
Das Ausschussprotokoll vom 11. April 1908 dokumentiert, die Anstellung eines Mäusefängers und dessen Bezahlung.
Siehe nachstehendes Protokoll vom 11. April 1908 (Kopie von Original und anschließend die Übersetzung)
Seite 139
Protokoll
aufgenommen am
Burggen, den 11. April 1908
Gegenstand der Beschlußfassung
Fangen von Feldmäusen
Zur Beratung und eventuellen Beschlußfassung in
nebenbezeichneter Sache wurden vom Bürgermeister
zu der auf heute anberaumten Ausschußsitzung die sämtlichen
10 Ausschußmitglieder gemäß Art 145 der Gemeinde=
ordnung - resp. Artikel 47 derselben richtig geladen.
Von den Geladenen sind erschienen 9Ausschuß=
mitglieder, .......außerodentliche Mitglieder, so daß die
beschlußfähige Zahl anwesend ist.
Auf Vortrag des Bürgermeisters und nach eingehen=
der Beratung wurde mit 9 Stimmen
beschlossen:
Gegenwärtig:
der Bürgermeister Völk
die unterzeichneten Ausschußmitglieder
der Protokollführer der Bürgermeister
Es sei dem Mäusefänger Ignatz Pfister
das Fangen von Feldmäusen zu übertragen, mit der
Bedingung daß schwarze Mäuse a Stück 20 ch für
graue a Stück 10 ch zu bezahlen sind, mit der Bemerkung
daß 2/3der eingelieferten Mäuse gleich bei der Abliefer=
ung und 1/3 zur Bezahlung kommt wenn die Flur voll=
ständig gereinigt ist, und die Gemeinde vollständig
befriedigt sein wird. Zur Wohnung hat derselbe das
untere Zimmer im Gemeindehaus zu benützen und wird
demselben das notwendige Holz zur Verfügung gestellt.
Der Kostenbetrag soll nach der Grundsteuer berechnet werden
und soll die Filialisten in der Engenwies, Roßau, Dessau,
Haslach u. Borzenwinkel außer Berücksichtigung bleiben.
Zur Annahme verpflichtet sich
L.U.
Ulrich Hindelang
Die Gemeindeverwaltung
Völk Bürgermeister
Lang Beigeordneter
Ehlich Kassier
Nuscheler Michael
Jos. Dopfer
Strehle Nerius
Zörr Stefan
Eiband Xaver
Johann Selzle
Die meisten Beschlüsse (14) befassten sich mit Baugenehmigungen, wie Stallneubauten, Stallvergrößerungen, Hochfahrten und sog. Wiederkehre, aber auch Küchenneubau und Bau neuer Kamine.
Ansonsten finden sich Beschlüsse über Holzeinschlag, Holzverkauf, Holznutzungsrechte, Viehweiden- und Zuchtviehverpachtung, über Zuschüsse für Schulzwecke bzw. Lehrkräfte, Feuerschau und Desinfektionswesen, sowie Grundbuch- und Hypothekenangelegenheiten. Auch zum Ausbau einer Lokalbahn von Schongau nach Bießenhofen und über einen möglichen Zusammenschluss der Gemeinden Burggen und Tannenberg sind Beschlüsse protokolliert.
Siehe nachstehendes Protokoll vom 07. November 1908 (Kopie von Original und anschließend die Übersetzung)
Seite 167
Protokoll
aufgenommen am
Burggen, den 7. Novbr. 1908
Gegenstand der Beschlußfassung
Vereinigung der Gemeinde
Tannenberg mit der Gemeinde
Burggen.
Zur Beratung und eventuellen Beschlußfassung in
nebenbezeichneter Sache wurden vom Bürgermeister
zu der auf heute anberaumten Ausschußsitzung die sämtlichen
10 Ausschußmitglieder gemäß Art 145 der Gemeinde=
ordnung - resp. Artikel 47 derselben richtig geladen.
Von den Geladenen sind erschienen 7 Ausschuß=
mitglieder, .......außerodentliche Mitglieder, so daß die
beschlußfähige Zahl anwesend ist.
Auf Vortrag des Bürgermeisters und nach eingehen=
der Beratung wurde mit 7 Stimmen
beschlossen:
Gegenwärtig:
der BürgermeisterVölk
Protokollführer der Bürgermeister
Daß einer Vereinigung der Gemeinde Tannenberg mit
der Gemeinde Burggen nicht zugestimmt wird.
1.)Weil die Gemeinde Tannenberg eine leistungsfähigere Gemeinde ist, welche einen Bürgermeister selbstständig haben kann,
2.) Sind die Verdienste des Bürgermeisters des Gemeindeschreibers, und des Polizeigesetzes sehr gering, so daß die Erhebung einer besonderen Umlage nicht erforderlich ist,
3.) Durch die Geschäftsvereinigung der beiden Gemeinden findet eine Geschäftsvereinfachung in keiner Weise statt, da schon in einer Gemeinde bei der gegenwärtigen Zeit die Arbeitslast nachweisbar um das dreifache sich erhöht hat, wenn bei einer Vereinigung der beiden Gemeinden, an eine Aufstellung eines Gemeindeschreibers gedacht wird, so ist dies ganz begreiflich, daß dieselbe bei einer solchen Geschäftsbelastung bedeutend mehr Gehalt beanspruchen würde als ein jetziger Bürgermeister in einer kleinen Gemeinde, und es kann deshalb von einer Einsparung keine Rede sein, wobei besonders hervorgehoben werden muß, daß ein Gemeindeschreiber u. ein Bürgermeister bei einer vereinigten Gemeinde bei dem jetzigen Gehalte allein niemals haben kann, da dieselben angewiesen sind Ökonomie u. andere Arbeiten zu verrichten, so muß insbesondere erwähnt werden daß es jedenfalls entschieden besser sein wird, wenn die Arbeitslast des Bürgermeisters, des Gemeindeschreibers und des Polizeipersonals u.s.w. auf zwei Gemeinden ausgedehnt ist.
4.) Sind die Terainverhältnisse der beiden Gemeinden so
gestellt, daß eine Vereinigung nahezu unmöglich ist.
Die Gemeindeverwaltung
Völk Bürgermeister
Lang Beigeordneter
Ehlich Kassier
Strehle Nerius
Kögel Klement
Zörr Stefan
Johann Selzle
Quelle:
Haus- und Familienchronik von Burggen, Johann Schmeidel, unveröffentlichtes Manuskript, Burggen 1963, Gemeindearchiv Burggen
Protokoll, Beratungen und Beschlüsse des Ausschusses der Landgemeinde Burggen Band 17. Juli 1904 bis 09. Januar 1909, Seite 123, 139, 167 1908, Gemeindearchiv Burggen
Handbuch für Landgemeinde-Verwaltungen, W. Stadelmann, Bamberg 1872, 6.Aufl., II. § 37
Bayerische Gemeindeordnung für die Landestheile diesseits des Rheins
Gesetz vom 29. April 1869 K. Weber, München 1869, 6. Aufl., II, Art. 123 ff
Erstellt vom Arbeitskreis Dorfgeschichte Burggen
im November 2008
Anmerkung:
Nachdem nunmehr das Gemeindearchiv nach jahrelanger Sichtung und Einordnung vom Arbeitskreis Dorfgeschichte fast vollständig nach dem Einheitsaktenplan vorschriftsmäßig geordnet ist, hat es sich der Arbeitskreis zur Aufgabe gemacht, die für die geschichtliche Entwicklung und Darstellung der Gemeinde Burggen wichtigen Archivalien zu übersetzen und so für eine weitere Bearbeitung verwertbar zu machen. So wurden die ab 1837 bis 1855 (leider nicht ganz vollständig) vorhandenen Gemeinde-Ausschußprotokolle zu diesem Zwecke kopiert und bereits zu Hälfte übersetzt. Die obige Darstellung soll einen Eindruck über die vielfältigen Erkenntnisse und Ergebnisse der Forschungsarbeiten im Gemeindearchiv vermitteln, aber gleichzeitig auch den Arbeitsaufwand verdeutlichen.