Flurbereinigungsverfahren (1951 - 1964)
Alle Landwirte in Burggen wussten um ihre Beschwerlichkeit bei der Arbeit auf den Feldern, da ihre Grundstücke meist sehr klein und weit zerstreut in der Gemeindeflur lagen.
Die Flurkarte von 1866 zeigt deutlich die Vielzahl von schmalen, langen Grundstücken und die oft fehlende Erreichbarkeit über einen öffentlichen Weg. Zur Veranschaulichung steht nur diese Flurkarte aus dem Jahr 1866 zur Verfügung. Sie zeigt aber, abgesehen von zwischenzeitlichen Veränderungen durch Kauf, Tausch und Erbteilungen, wie die Grundstücke vor der Flurbereinigung grundsätzlich aufgeteilt waren.
Um die Voraussetzungen für eine moderne und rationellere Betriebsweise in der Landwirtschaft zu schaffen, stellte die Gemeinde Burggen mit Schreiben vom 31.1.1951 (siehe Kopie) an das Landwirtschaftsamt in Schongau den Antrag auf Durchführung der Flurbereinigung.
Für den Antrag bestand noch nicht einmal ein Gemeinderatsbeschluss, er wurde eher vorsorglich gestellt. Nach den bei verschiedenen Ämtern eingeholten Informationen war nicht damit zu rechnen, sofort zum Kreis der Gemeinden zu zählen, für die dieses Verfahren genehmigt werden würde.
Es ging dann alles schneller als erwartet. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gab am 15. September 1952 die Anordnung heraus, dass die Flurbereinigung in Burggen nach den Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes von Amts wegen durchzuführen ist (siehe Auszug aus Kopie der Anordnung v. 15.09.1952).
Mit ein Grund für die Anordnung vom 15. Sept. 1952 war, dass sich in einer vorausgegangenen Probeabstimmung unter den Grundstückseigentümern in Burggen, im Anschluss an eine Aufklärungsversammlung, von den 160 Beteiligten 124(also 73 %) unterschriftlich für die Durchführung aussprachen. Betroffen war eine Bereinigungsfläche von ca. 1350 ha.
Auszüge aus der Begründung der Anordnung vom 15. Sept. 1952:
„…Wegen der bestehenden Besitzverzahnungen ist die Einbeziehung von Teilen der Nachbargemeinden Ingenried, Altenstadt, Bernbeuren und Tannenberg notwendig. …“
„ …Die große Ausdehnung der Gemeinde Burggen und die dadurch bedingte Zurücklegung oft sehr weiter Entfernungen bei der Bewirtschaftung der Grundstücke fordern eine verstärkte Motorisierung und die Verwendung arbeitssparender Maschinen für eine intensive Bearbeitung der Felder und
Wiesen. Die vorherrschende Besitzzersplitterung und das mangelhafte, schlecht ausgebaute Wegenetz haben eine derartige Betriebsverbesserung bisher vielfach nicht zugelassen. Durch die Flurbereinigung, welche die Gesamtflur neu ordnet und mit einem zweckentsprechenden Wegenetz überspannt, lassen sich die angestrebten Verbesserungen ermöglichen….“
Bildung einer Flurbereinigungsgenossenschaft
Um rechtlich handlungsfähig zu sein, musste eine Satzung erlassen und eine Flurbereinigungsgenossenschaft gebildet werden. Der Vorsitz in der Genossenschaft oblag einem Vertreter des Flurbereinigungsamtes. Von Burggen wurden 16 Vorstandsmitglieder und aus ihrer Mitte ein Erster Vorstand gewählt. Bei Eröffnung des Verfahrens war Hans Eiband Erster Vorstand.
Mit Schreiben vom 30. April 1954 teilte die Gemeinde der Obersten Baubehörde mit, es seien auch Bachkorrekturen und Entwässerungsarbeiten beschlossen worden, für die ein Kostenvoranschlag über 100.000 DM vorliege und bat um staatliche Zuschüsse und Darlehen. Um baldigste Entscheidung wurde ausdrücklich gebeten. Jede Verzögerung brächten große Härten, da die Grenzsteine für die neue Wegvermarkung bereits gesetzt seien und diese stünden mitten in den noch unverteilten Feldern herum. Missmut und Unzufriedenheit seien die Folgen. Eine Flurbereinigung sei ja ohnehin eine äußerst kritische Angelegenheit und es sei doppelt bitter, wenn die Stimmung durch solche Unannehmlichkeiten noch gereizter werde.
Erster Vorsitzender Hans Eiband trat aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurück. In einer Genossenschaftssitzung wurde er am 04. Oktober 1954 entlastet und Bürgermeister Michael Faller zum Ersten Vorsitzenden gewählt. Bei dieser Wahl waren von den 16 Mitgliedern 12 erschienen. Es waren dies Selzle Michael, Hölzle Michael, Berchtold Magnus, Möst Alois, Spöttel Ludwig, Hindelang Adolf, Weber Ludwig, Bair Xaver, Kopp Josef, Sprenzel Fritz, Brunner Simpert und Michael Faller.
Gleich am nächsten Tag (05. Oktober 1954) war die Vorstandschaft erneut geladen. Über die Sitzung wurde eine Niederschrift gefertigt. Es ging hauptsächlich um die Aufnahme eines Darlehens in Höhe von 77.500 DM. Außerdem wurde beschlossen, den Ausbau des Wegenetzes bereits bis Mitte Oktober 1954 in folgender Reihenfolge durchzuführen
a) Harresweg in einer Länge von ca. 1700 m
b) Hauserriedweg in einer Länge von ca. 1100m
c) Weiherweg in einer Länge von ca. 400m
d) Sennewangweg in einer Länge von ca. 1200m.
Der Vorsitzende der Flurbereinigungsgenossenschaft teilte der Gemeinde am 26. Oktober 1955 mit, dass seit dem 1.4.1953 der Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau unmittelbar geltendes Recht sei. Selbständig verfügungsberechtigte Ehefrauen könnten deshalb ohne ihre Vollmacht nicht mehr vom Ehemann vertreten werden. Die erforderlichen Vollmachten mussten nachträglich eingeholt werden.
Neuverteilung der Grundstücke
Mit der Wunschentgegennahme aller Grundstückseigentümer wurde im Herbst 1955 begonnen.
Das Ergebnis, wie ihre Grundstücke bewertet wurden, erhielten alle Beteiligten in den Monaten November und Dezember 1955. Die Auslegung des vorläufigen Planes mit der Darstellung der neu verteilten Grundstücken erfolgte in den Monaten Juni und Juli 1956.
Die Flurkarte 2 von 1972 zeigt die endgültige Aufteilung der Flurstückenach der Bereinigung. Leider ist keine Flurkarte verfügbar, die zeitnäher zum Flurbereinigungsabschluss im Jahr 1963 liegt.
Mit Verfügung des Flurbereinigungsamtes vom 18. August 1956 wurde angeordnet, dass die künftigen Grundeigentümer nach Art. 58 des Flurbereinigungsgesetzes vorläufig in den Besitz der abgesteckten Ersatzgrundstücke und gemeinschaftlichen Anlagen gesetzt werden. In den folgenden Jahren wurden die Wegebauten und die Gewässerbaumaßnahmen nach und nach zu Ende gebracht.
Das Flurbereinigungsamt war außerdem bis zum Abschluss des Verfahrens im Jahr 1963 damit beschäftigt, neue Flurpläne zu erstellen, die umfangreichen Vermessungsarbeiten abzuschließen, Grundbuch-berichtigungen zu veranlassen und die Schlussabrechnung vorzunehmen.
Der sog. Endbescheid, mit dem die Flurbereinigung in Burggen rechtlich seinen Abschluss fand, trägt das Datum 5. Dezember 1963. Da keine Klagen anhängig waren, wurde der Bescheid rechtskräftig.
Auszug aus dem Endbescheid des Spruchausschusses beim Flurbereinigungsamt vom 15. Dezember 1963:
Betreff: Flurbereinigung Burggen - Landkreis Schongau
Für das Flurbereinigungsverfahren B u r g g e n - Landkreis Schongau, erläßt der Vorsitzende der Vorsitzende des Spruchausschusses beim Flurbereinigungsamt München folgenden
E n d b e s c h e i d
I.
Das Flurbereinigungsverfahren Burggen hat den Zweck, den zersplitterten landwirtschaftlichen Grundbesitz in der Gemeinde Burggen und den angrenzenden Teilen der Gemeinden Altenstadt, Bernbeuren, Ingenried und Tannenberg zur besseren Bewirtschaftung zusammenzulegen und die erforderlichen Wege, Vorfluter und sonstigen gemeinschaftlichen Anlagen zu schaffen. Die von der Flurbereinigungsgenossenschaft Burggen durchgeführte Flurbereinigung wird genehmigt. Die Genehmigung umfaßt sämtliche Ausarbeitungen. Sie sind Bestandteil dieses Bescheides und werden beim Flurbereinigungsamt München verwahrt.
II.
Das Verfahren umfaßt eine Fläche von 1439 ha. Am Verfahren sind 231 Grundeigentümer beteiligt.
München, den 5. Dezember 1963 gez. Hartwich, Reg.Direktor
Einige Grundsätze und Zahlen zur Flurbereinigung
- Experten gingen davon aus, durch Flurbereinigung eine Ertragssteigerung in der Landwirtschaft um ca. 25 % erreichen zu können.
- Vorgaben bei der Flurbereinigung waren neben der Grundstücks-zusammenlegung u.a. gemeinschaftliche Anlagen zu schaffen, wie Friedhöfe, Sportanlagen, Spielplätze und auf Natur-, Denkmal- und Vogelschutz zu achten.
- Als erste Arbeiten mussten die Eigentums- und Rechtsverhältnisse an jedem Grundstück festgestellt werden.
- Dann folgte der Entwurf des Wege-, Grabennetzes und der Bachläufe.
- Eine Schätzung von Ertragswert und Bodengüte von jedem Grundstück musste vorgenommen werden. Das war nötig, da der Austausch der Grundstücke möglichst wertgleich sein sollte. Es musste ein Tauschwert ermittelt werden. Diesen beeinflussten hauptsächlich drei Faktoren (Bodenwert, Entfernung des Grundstückes vom Wirtschaftszentrum und ev. besonderer Verkehrswert).
Diese jeweilige Schätzung war Aufgabe des Genossenschaftsvorstandes vom Flurbereinigungsamt. - Jedes Grundstück sollte an zwei Seiten an einen Weg angrenzen.
- Bei der ersten Informationsveranstaltung 1952 wurde von 160 Beteiligten und einer betroffenen Fläche von ca. 1350 ha gesprochen. Im Endbescheid vom Dezember 1963 sind 231 Grundeigentümer und eine Fläche von 1439 ha angegeben. 1952 war die Fläche nur geschätzt worden. Durch die notwendige Beteiligung der angrenzenden Gemeinden Altenstadt, Bernbeuren, Ingenried und Tannenberg, könnte sich die höhere Zahl von Grundeigentümern ergeben haben.
- 1772 alte Besitzstücke wurden zu 660 neuen Besitzstücken zusammengelegt.
- Die Länge der Wege, die im Rahmen des Verfahrens erweitert, verlängert oder neu angelegt wurden, betrug ca. 90 km. (Siehe dazu die Wegekarte unten)
Erstellt vom Arbeitskreis Dorfgeschichte
Burggen im Februar 2011